Stand: 17.10.2023 11:27 Uhr

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel kommt es auch in Deutschland vermehrt zu antisemitischen Vorfällen. Wo Antisemitismus beginnt und wie man dem erfolgreich vorbeugen kann, erklärt der Experte Hızarcı im Interview mit tagesschau.de.

tagesschau.de: In Deutschland kam es in den vergangenen Tagen zu antisemitischen Schmierereien. Es gab Jubel für den Terror der Hamas. Auf Demonstrationen wird das Existenzrecht Israels in Frage gestellt. Sie engagieren sich seit Jahren gegen Antisemitismus in Berlin. Wie haben Sie die vergangenen Tage hier erlebt?

Derviş Hızarcı: Ich habe die vergangenen Tage als die schlimmsten und herausforderndsten erlebt, seitdem ich mich gegen Antisemitismus engagiere. Und das sind 20 Jahre. Auch die Bilder aus Israel vom Samstagmorgen letzter Woche waren die bestialischsten und brutalsten, die ich je erlebt habe. Jüdische Freunde hier in Berlin, aber auch anderswo, habe ich noch nie, wirklich noch nie, so ängstlich, so verunsichert und so verzweifelt erlebt. Das ist eine absolut neue Dimension.

tagesschau.de: Seit dem Angriff der Hamas auf Israel kommt es auch in Deutschland zu anti-israelischen Protesten. Warum eigentlich?

Hızarcı: Das hat vor allem damit zu tun, dass wir eine multi-diverse Gesellschaft sind. Wir haben Menschen jüdischen Glaubens, muslimischen Glaubens, wir haben Menschen mit israelischen Wurzeln und palästinensischen Wurzeln. Das ist Teil der Realität, der Veränderung. Wir sind eine vielfältige Gesellschaft und hier leben Menschen mit biografischen Besonderheiten und auch Bezügen zu anderen Orten auf der Welt, wo es Konflikte gibt.

tagesschau.de: Aber wo fängt dabei der Antisemitismus an?

Hızarcı: Der Antisemitismus fängt da an, wo man generell und grundsätzlich Jüdinnen und Juden hasst, weil sie Jüdinnen und Juden sind. Auch Israelfeindschaft ist eine Form von Antisemitismus. Sehr oft ist Israel da eine Projektionsfläche oder eine Art Umwegkommunikation. Das heißt, man äußert antisemitische Vorurteile, Ressentiments oder Hass über Israel: die sogenannte Israelkritik. Antisemitismus und Israelfeindschaft sind in Deutschland aber ein weit verbreitetes Phänomen. Das muss man ganz klar sagen. Die Zustimmung zu sogenanntem israelbezogenen Antisemitismus liegt in Deutschland bei über 40 Prozent. Man könnte grob sagen, fast jede zweite Person in diesem Land hat eine problematische Einstellung dazu.

tagesschau.de: In der Debatte geht es nun auch um “importierten Antisemitismus”. Wie verbreitet ist denn Antisemitismus in migrantischen Communities?

Hızarcı: Da muss man differenzieren: Der Antisemitismus, der sich in migrantischen und muslimisch geprägten Milieus äußert, kommt von Menschen, die größtenteils in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Sie haben den Antisemitismus nicht von irgendwo hier reingebracht, sondern wir haben ihn hier und er ist in manchen Gruppen verbreitet. Man könnte von importiert reden, wenn Menschen Ideologien aus den Ländern, aus denen sie zu uns kommen, mitbringen.

tagesschau.de: Glauben Sie, der Antisemitismus wird an mancher Stelle instrumentalisiert?

Hızarcı: Wir dürfen nicht vergessen, dass es antisemitische Vorfälle in Deutschland nicht erst seit dem Angriff der Hamas gibt. Antisemitismus ist in Deutschland auch vorhanden, wenn es nicht um den Nahostkonflikt geht. Ein großer Teil der antisemitischen Vorfälle hat seinen Ursprung in rechten Milieus. Wenn Politiker gern und nur dann über Antisemitismus sprechen, wenn es um Muslime geht, dann handelt es sich um eine problematische Einseitigkeit, und das könnte man als Instrumentalisierung deuten.

tagesschau.de: Es gibt jetzt Forderungen nach härteren Strafen. Berliner Schulen können beispielsweise das Tragen gewisser Kleidungsstücke verbieten. Können diese Maßnahmen etwas bewegen?

Hızarcı: Nein, ich glaube, da wird im Bereich Schule an der falschen Stelle der Sehnsucht nach klarer Kante nachgekommen. Man darf hier nicht vergessen, dass wir es mit Jugendlichen zu tun haben. Da sind Verbote in allen Bereichen im Grunde fast ein Aufruf zur Provokation. Klare Kante muss bedeuten, viel mehr Präventionsarbeit und viel mehr Möglichkeiten der Begegnung und des Austausches zu schaffen. Vor allem in den Schulen. Es reicht nicht, wenn nur in der Krise politisch reagiert wird, und man außerhalb der Krise Gelder für Präventions- und Demokratiearbeit streicht. Schulen sind ein Lernort und ich denke, da muss man vor allem nach pädagogischen Auswegen und Lösungen suchen. Mit Verboten zu arbeiten ist, als würde man versuchen, einen Kochtopf, der gerade am Überkochen ist, mit einem Deckel darüber zu beruhigen.

tagesschau.de: Sie sind selbst tätig an Schulen, geben Workshops, haben jahrelange Erfahrung in der politischen Bildung. Was ist das erfolgreichste Mittel gegen Antisemitismus?

Hızarcı: Grundsätzlich ist es in der Schule wichtig, dass man die Gruppe, die man vor sich hat, ernst nimmt. Das heißt, das Umfeld muss akzeptierend, inklusiv und wertschätzend sein. In solchen Räumen schafft man es, Kinder und Jugendliche dazu zu bringen, dass sie problematische Denkweisen und Einstellungen hinterfragen und dass das Schwarz-Weiß-Denken aufbricht. In solchen Settings lernen Kinder und Jugendliche am besten. Dafür braucht es die Bereitschaft der Perspektivübernahme und die Förderung der Widerspruchstoleranz. Und dafür braucht es Empathie. So kann es auch gelingen, Jugendliche dazu zu bewegen sich gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit einzusetzen. Das habe ich persönlich mehr als nur einmal erlebt.

Das Gespräch führte Konstantin Kumpfmüller, tagesschau.de.

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    1 year ago

    Erwartest du jetzt, dass ich hier über die Geschichte des Antisemitismus in Europa und in der Welt rede? Oder über den Holocaust?

    Wenn du die Hinführung zur Gründung des Staates Israels nicht historisch einordnen kannst, dann suche dir mal dazu ein paar andere Quellen als Foren im Internet.

    Und wenn du es kennst, was soll die Frage? Natürlich ist Israel anders als Paraguay.

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      1 year ago

      Natürlich kenne ich die Geschichte, den Holocaust und die Staatsgründung.

      Und jetzt ist der Stast da, und ist für mich ein Staat wie jeder andere. Mit dem gleichen Existenzrecht wie jeder andere. Darf man keine Bomben draufschmeißen.

      Und ich wäre sogar für eine weitere Staatsgründung in der Gegend: Palästina. Wäre dann ebenfalls ein Staat wie jeder andere auf den man keine Bomben schmeißen darf. Aber das ist eine interne Angelegenheit der Menschen dort. Andere sollten sich nicht einmischen.

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        1 year ago

        Das Problem an der Sache ist, dass Palästina eine Bedrohung für Israel ist. Außerdem: Und das sollte hier mal erwähnt werden gab es mehrere Friedensgespräche, die alle seitens Palästina gescheitert sind. Israel war sogar bereit alle besetzten Gebiete zurückzugeben. Also es ist schwierig. Ich würde unter den jetzigen Umständen auch kein freies Palästina dulden - denn dafür sind die Vorraussetzungen einfach noch nicht gegeben und das durften wir die Tage wieder einmal leidvoll erleben. Ich würde gleichsam auch sagen, dass die Fronten beiderseits so festgefahren sind, dass man leider davon ausgehen muss, dass eine Befriedung nur mithilfe der Friedhofsruhe möglich ist.

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          1 year ago

          Ich würde gleichsam auch sagen, dass die Fronten beiderseits so festgefahren sind, dass man leider davon ausgehen muss, dass eine Befriedung nur mithilfe der Friedhofsruhe möglich ist.

          Selbst ein Genozid würde das Problem nicht lösen sondern nur noch mehr Leute schaffen welche Israel, mit verdammt guten Grund, feindlich gegenüber stehen.

          • Guildo@feddit.de
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            1 year ago

            Wenn eine Bevölkerungsgruppe nicht mehr existiert, kann diese sich auch nicht mehr wehren. Natürlich würde eine Friedhofsruhe die Situation befrieden. Wenn wir von einem Genozid reden, dann müssen wir auch die Konsequenzen akzeptieren. Es gibt ganz viele Kulturen, die von der Landkarte gestrichen wurden und die sind in den meisten Fällen nur noch eine Randbemerkung in Geschichtsbüchern.

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              1 year ago

              Muss ich dir jetzt ernsthaft erklären warum Genozid seit Mitte des letzten Jahrhunderts eigentlich nicht mehr akzeptabel ist? Scheisse Man, dass ist doch die genau gleich dumme Begründung wie Hamas dazu verwendet warum “Israel vernichtet werden muss”. Und sie ist auch aus den genau gleichen Gründen dumm:

              Erstens sind wir heute viel vernetzter als zu Zeiten aus denen die Geschichtsbücher reden. Es gibt Hunderttausende Angehörige der Palästinenser welche in andern Länder leben und welche sowas natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Die umliegenden Länder welche sich heute einen Scheiss um die Palästinenser scherren werden auch das ganz und gar nicht OK finden. Jede Art von Goodwill welche Israel mit denen aufgebaut hat wäre auf einen Schlag vernichtet.

              Zweitens gibt es auch mehr als genug Leute in zivilisierten Länder welche sowas Israel niemals verzeihen würden. Inklusive jede Menge Juden welche aus sehr verständlichen Gründen Genozid im Allgemeinen verabscheuen.

              Und drittens, Genozid ist das schlimmste Kriegsverbrechen welches ein Land begehen kann. Dies ist NIE OK!

              • Guildo@feddit.de
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                1 year ago

                Habe ich mit einem einzigen Wort gesagt, dass Genozid akzeptabel ist? Nein, habe ich nicht.

                Die Vernetzung untereinander sorgt nur dafür, dass wir mehr Informationen schneller bekommen. Die Deutung von Informationen ist dadurch erheblich erschwert worden.

                Schau dir mal an inwiefern sich die diplomatischen Verbindungen Israels in den letzten Jahrzehnten stabilisiert haben. Es wäre naiv zu glauben, dass die damit nicht davonkommen. Der Westen hat sich auch jetzt schon eindeutig positioniert.

                Genozid ist nicht ausschließlich ein Kriegsverbrechen. Und es sind schon ganz viele Länder damit davongekommen. Denk alleine mal an die indigenen Völker dieser Erde. Ein prominentes Beispiel waren jetzt z.B. neulich die Aboriginis. Das war ein Tag lang in der Zeitung, danach war wieder Ruhe. Jeder der glaubt, dass Israel irgendwelche langwierigen Konsequenzen zu spüren bekommt, lebt in einer Fantasiewelt.

                Nehmen wir mal das Beispiel Ägypten. Die waren früher auch mal gegen Israel. Mittlerweile leben die seit Jahrzehnten in Frieden und die Verbindungen sind mittlerweile stabilisiert. Die haben auch keinen Bock auf die Palästinser. Ägyptens Grenze zu Gaza ist um ein vielfaches stärker ausgebaut und es sieht momentan auch nicht danach aus, als wären die froh über die Flüchtlingsströme. Sollte Israel kurzen Prozess mit dem Gaza machen, hätte Ägypten auf Dauer auch ein Problem weniger.

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                  1 year ago

                  Habe ich mit einem einzigen Wort gesagt, dass Genozid akzeptabel ist? Nein, habe ich nicht.

                  Habe ich mit einem einzigen Wort gesagt, dass du das gesagt hast? Ich habe dich lediglich gefragt, ob ich dir jetzt wirklich erklären muss warum dieser nicht akzeptabel ist. Sorry aber nachdem du mehre Post mit so Polemik wie Grabesstille aufgetischt hast, musst ich mich schon wundern. Dass du das auch weiterhin als “einzige wahre” Lösung zum dem Konflikt hinstellt, musst du dich nicht wundern wenn Leute denken du findest dies akzeptabel.

                  Schau dir mal an inwiefern sich die diplomatischen Verbindungen Israels in den letzten Jahrzehnten stabilisiert haben. Es wäre naiv zu glauben, dass die damit nicht davonkommen. Der Westen hat sich auch jetzt schon eindeutig positioniert.

                  Was sie bis jetzt machen ist verdammt scheisse aber noch weit weg von einem Genozid von knapp 2 Millionen Leute. Ja, falls das passiert verlange ich von westlichen Länder mehr als nur ein paar Worte. Alles was nicht mindestens der Reaktion auf Russlands Invasion gleichkommt wäre nicht hinnehmbar.

                  • Guildo@feddit.de
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                    1 year ago

                    Woher kommt das “einzig wahre”? Das ist aber kein Zitat von mir.

                    Die westlichen Länder haben sich jetzt schon positioniert, schalte mal den Fernseher ein. Da kannst du jeden Tag die Wortmeldungen hören.

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        1 year ago

        Eine andere Lehre aus dem Holocaust ist, dass die Weltöffentlichkeit sich aus humanitären Gründen manchmal halt doch einmischen muss.

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          1 year ago

          Beim Einmischen bezog ich mich auf einen Palestinensichen Staat. Das ist alleine eine Angelegenheit der Menschen dort.