Sie gelten als Krawallmacher, Störenfriede, Chaoten. Dabei ermöglichen sie uns ein Leben, in dem Rechtsextreme die Rolle spielen, die ihnen zusteht: Nämlich keine. Zur Verteidigung einer viel gescholtenen Subkultur.
Wer diese Typen im Fernsehen sieht oder in der Zeitung über sie liest und selbst halbwegs richtig im Kopf ist, muss zwangsläufig ein fürchterliches Bild von ihnen bekommen: Die schwarz gekleideten Vermummten, die sich selbst „Antifaschisten“ nennen, haben einen miserablen Ruf. In Berlin machen sie andauernd Stress, nerven jedes Jahr zum 1. Mai, aber im Grunde auch die vier Monate davor und die acht Monate danach. Es ist leicht, die Leute als hirnlose Krawallmacher abzustempeln. Dabei übersieht man aber, dass es auch eine ganz andere Seite gibt. Wenn wir ehrlich sind, haben wir ihnen viel zu verdanken.
Am Image der „Antifas“ sind ausnahmsweise nicht nur die Medien schuld, sondern vor allem sie selbst: Traditionell verschwenden sie kaum einen Gedanken daran, ihr Tun zu erklären. Wenn doch, benutzen sie unverständliche Floskeln und einen überheblichen Tonfall, der sie gleich noch eine Ecke unsympathischer macht. Die Antifa betreibt vermutlich die schlechteste Öffentlichkeitsarbeit dieses Planeten.
Ich bin trotzdem sehr froh, dass es sie gibt. Denn wäre die Antifa nicht da, gäbe es viel mehr Nazis in meinem Leben. Dass sie im Zentrum Berlins nicht ständig mit Infotischen, Fackelläufen und Aufmärschen präsent sind, ist im Wesentlichen ein Verdienst der Antifa und ihrer Unterstützer.
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Gäbe es den Widerstand nicht, hätten Rechtsextreme bald keine Hemmschwelle mehr, in der Öffentlichkeit zu agieren. Sie könnten ungestört Flugblätter verteilen: vor Supermärkten, vor Schulen, in Fußgängerzonen. Sie könnten Druck ausüben und anderen ihre Werte aufzwingen. Mich stört es schon, dass ich zu Hause in der Bergmannstraße ständig von Umweltschützern angesprochen werde, die mich zu einer Mitgliedschaft überreden wollen. Ich bin dankbar, dass es keine Rechtsextremen sind, die über den Holocaust diskutieren möchten. Wer sagt, man müsse sich mit Nazis argumentativ auseinandersetzen, hat keine Ahnung von der Realität in ostdeutschen Provinzen.
„Gegen Nazis protestieren ist gut, aber das kann man doch auch anders machen.“ Dieser Satz kommt meist aus dem Mund von Leuten, die überhaupt nichts gegen Nazis unternehmen. Oder Symbolpolitik machen, ohne irgendwas zu erreichen außer dem eigenen guten Gefühl. Ein Beispiel dafür ist der jährliche Naziaufmarsch in Dresden: Der wurde schon mehrfach gestoppt, weil Antifa-Gruppen zu Blockaden aufgerufen hatten. Hinterher werden aber stets die Bürger gelobt, die sich auf der anderen Elbseite im Kreis an den Händen festhielten. In der Tagesschau werden jedes Jahr die Falschen gefeiert.
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Man kann das wohl zynisch finden, aber es ist wahr: Zur Aufgabe der Polizei zählt es, gewalttätige Linke festzunehmen. Und zur Aufgabe der Antifa gehört es, unnachgiebig mit Widerstand zu drohen.
Mich beruhigt es, in einer Stadt zu leben, die eine starke, aktive Antifa hat. Weil ich dann sicher bin, dass in meinem Kiez keine Nazis die Meinungshoheit übernehmen.
Ach ja, übrigens: Diese Menschen machen das ehrenamtlich.
Oha. Und das im Tagesspiegel. So einen Artikel hätte ich dort eher nicht vermutet aber die Wannsee II Konferenz scheint doch einige aufgeweckt zu haben. Zu Recht!
Wannsee 2.0 war nicht der Anlass dafür, der Artikel ist schon 10 Jahre alt.
Wow, danke für den Hinweis. Das wäre mir sonst nicht aufgefallen.
Erschreckend wie aktuell das Thema ist, bzw. welche Bedeutung es nunmehr hat.
Hab Antifa lange Jahre bloß als Schläger gesehen die halt Nazis als Opfer ausgesucht haben weils bei denen keinen stört.
Dann hat ein Nazi den Vorsitz der thüringer Landesfraktion übernommen und die Leute haben ihm zugejubelt. Eisenstangen gegenüber bin ich seither sehr viel moderater eingestellt. Auf Gesellschaft und Politik ist leider kein Verlaß.
Wirklich gut abgewogen und dann noch im Tagesspiegel.
Der Artikel beschreibt genau wie es mir oft geht. Immer wenn ich etwas sauer oder einfach nur von Unverständnis geplagt bin, wenn die antifa meiner Meinung nach irgendwo zu weit geht, dann rufe ich mir in Erinnerung, dass die ca 90% der demos angemeldet haben auf denen ich war, wobei ich aber selbst noch nie eine angemeldet habe. Mal so als beispiel. Ich denke um so konsequent immer was entgegenzusetzen, dafür überhaupt die kraft zu haben, muss man wohl ideologisch extremer drauf sein als ich und dass sie dann mal eskalieren gehört dann wohl dazu.
Irgendwann schaff ichs vielleicht trotzdem mal selber was auf die Beine zu stellen… :D
Beeindruckend differenziert und pointiert.
Mir wäre zwar lieber, die Mehrheit derer, die sich als Antifa bezeichnen, würde sich in der Öffentlichkeit und im Konflikt anders verhalten: ziviler, bedachter, moderater. Wenn der Preis dafür wäre, dass es sie gar nicht mehr gäbe, ist es aber vorzuziehen, dass sie weitermachen wie bisher. Gerade weil sich jemand konsequent öffentlich gegen Rechtsextreme stellt.
Traditionell verschwenden sie kaum einen Gedanken daran, ihr Tun zu erklären. Wenn doch, benutzen sie unverständliche Floskeln und einen überheblichen Tonfall, der sie gleich noch eine Ecke unsympathischer macht. Die Antifa betreibt vermutlich die schlechteste Öffentlichkeitsarbeit dieses Planeten.
Ich kann verstehen wenn die verwendete Sprache nicht wirklich zugänglich ist, aber Erklärungen von Zielen und Motivation gibt es doch zuhauf. Bspw hier. Antifas können halt auch wenig dafür wenn sie in den Medien nicht zu Wort kommen, aber dafür die AfD dauernd Interviews gibt oder wenn die Accounts auf sozialen Medien gesperrt werden.
Dieses. Gerade der Tagesspiegel ist beim Thema Antifa auch gerne mit uneingeordneten Zitaten von Tom Schreiber, einem AfD U-Boot in der Berliner SPD, ähnlich wie Sarrazin oder Rainer Wendt, dem AfD U-Boot und Nichtpolizisten in der Polizeigewerkschaft dabei.
Für eine Zeitung mit bürgerlichem und intellektuellem Publikum kann man auch erwarten, dass die Journalisten ihren Lesern mal die Erläuterung und Einordnung der Systemkritik zumuten. Aber genau der Teil wird immer ausgeblendet. Und dann wundert man sich, warum das Nach-Unten-Treten von FDP, CDU und z.T. SPD und Grünen zu Unmut führt, der von den Faschisten aufgenommen wird.
Der Artikel ist von 2014.