Das ist richtig. Aber es hemmt auch Selbstständigkeit, genauso wie unser überkompliziertes Steuersystem. Ich sehe da irgendwie beide Seiten. Ich wünsche mir mehr Selbstständigkeit deshalb, weil mich die Observation dieser seltsamen deutschen Massenparalyse bezüglich der selbstauferlegten Loyalität zum Arbeitgeber wahnsinnig macht. Ich glaube wirklich, das macht krank und deswegen bin ich hier für ein Umdenken.
dieser seltsamen deutschen Massenparalyse bezüglich der selbstauferlegten Loyalität zum Arbeitgeber (…) Ich glaube wirklich, das macht krank
Da bin ich völlig bei dir. So wie ich das erlebe geht die Loyalität aber tatsächlich oft mit Existenzangst einher. Da gibt es so eine tief verwurzelte Grundüberzeugung, dass es gar keine Alternative dazu gibt, sich dem zu beugen, was die Vorgesetzten fordern - eine ganz routinierte, angewöhnte Loyalität, genau wie du schreibst.
Ich glaube aber für ein Umdenken ist die Existenz einer solchen Alternative erstmal Grundvoraussetzung, und das bedeutet dann eben doch wieder Sozialsystem. Ohne ein solches wäre auch die Selbstständigkeit kein Ausweg. Ausbeuten kann man sich auch prima selbst, vor allem wenn die Alternative Obdachlosigkeit, sozialer Abstieg und die Bedrohung der eigenen Gesundheit bedeutet.
Ich bin ganz deiner Meinung. Ich will ja auch nicht das Sozialsystem abschaffen, das halte ich für eine bedeutende Errungenschaft unserer Gesellschaft. Aber konkret auf den Kündigungsschutz bezogen meine ich es so: der aktuelle Kündigungsschutz ist stark zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist natürlich gut, solange wir über große, gesichtslose Konzerne sprechen, für die einzelne Mitarbeiter austauschbar und individuell uninteressant sind.
Es lähmt nur leider auf der anderen Seite kleine Betriebe, die effiziente und gut aufeinander abgestimmte Teams brauchen. Deren ganze Existenz beruht oft auf der Eingespieltheit und langjährigen gemeinsamen Erfahrung. Es liegt also gar nicht im Interesse des Arbeitgebers, hier Kündigungen auszusprechen (begünstigt ja auch negative Dynamik). Aber gleichzeitig sprechen wir hier eben auch nur von kleinen Arbeitgebern, die unter 50 Mitarbeiter beschäftigen. Ich finde da braucht es andere Regelungen, nicht nur bezogen auf Sozialsysteme oder ähnliches. Wenn nämlich kleine Unternehmen reihenweise das Handtuch schmeißen müssen, weil sie den immer wachsenden Anforderungen an Bürokratie und Hemmnissen nicht mehr gewachsen sind, dann entsteht doch eben gerade dadurch ein riesiges Potential für Existenzverlust.
Ich weiß nicht genau, wo man diese Grenze jetzt ziehen sollte. Ich möchte aber, dass Modelle, wo die Geschäftsführung sich als gleichberechtigten Teil der Belegschaft versteht, noch eine Zukunft haben. Das sehe ich auch als einzige Chance, wie man hierzulande überhaupt noch Innovation fördern könnte. Das Geld immer BMW und VW in den Rachen zu schmeißen, funktioniert doch ganz offensichtlich spätestens mit dem Abdanken der Boomer nicht mehr.
Die Kehrseite eines ausgedünnten Kündigungsschutz wäre aber, dass manche Leute komplett aus dem Arbeitsmarkt fliegen könnten. Beispiel: So ziemlich alle ab Mitte 50. Wenn Betriebe das dürften, würden sie diese Leute oft nur allzu gerne loswerden, die sind nämlich teuer, tragen höhere Gesundheitsrisiken und sind je nach Branche auch einfach zunehmend weniger leistungsfähig. Jüngere haben aktuellere Qualifikationen, weniger Fehlzeiten und eine geringere Gehaltseinstufung. Im Kapitalismus würden die ganz regelmäßig den Vorrang bekommen - wenn wir nicht den Kündigungsschutz hätten. Ein freier Markt wäre da gnadenlos. Klar wäre das für kleinere Betriebe praktisch, aber ein wirtschaftlicher Todesstoß für alle, die in der Leistungsgesellschaft nicht mithalten. Ich finde die Vorstellung, dem Kapitalismus das zu gestatten, ehrlich gesagt ziemlich dystopisch.
Deine Argumente verstehe ich, das ist ein reale Gefahr dieser Überlegung. Allerdings habe ich auch eine Dystopie im Hinterkopf bei meinen Gedanken und die ist in meinem Arbeitsalltag leider gar nicht weit. Diese Regulatorik ist auf dem internationalen Markt nicht konkurrenzfähig. Gut, da könnte man jetzt sagen, dass der Großteil der Unternehmer eh nur in der DACH-Region tätig ist, aber das ist sehr kurz gegriffen.
Ich mache mir Sorgen, dass Unternehmen zunehmends von beispielsweise amerikanischen Großkonzernen verdrängt oder aufgekauft werden, was auch absolut gängige Praxis gerade ist, und dadurch diese Handlungsmaxime unsere Sozialsysteme untergraben. In diesem Falle geht es nicht nur den 55+ jährigen an den Kragen, sondern im Schlimmstfall der ganzen Belegschaft.
Das habe ich in den vergangenen fünf Jahren jetzt drei mal so direkt und unmittelbar miterlebt und das hat mich schon schockiert, muss ich sagen. Da kann man sich auf den Kopf stellen, aber mit der aktuellen Ausrichtung gibt es da keine Perspektiven.
Mir ist nicht ganz klar geworden wie du den Zusammenhang zwischen Loyalität zum Arbeitgeber und Kündigungsschutz/Sozialsystem herstellst.
Meiner Ansicht nach erlaubt gerade ein guter Kündigungsschutz (und auch das Sozialsystem) erst eine gewissen Unloyalität, da dich der Arbeitgeber sonst zur Loyalität zwingen kann.
Das ist richtig. Aber es hemmt auch Selbstständigkeit, genauso wie unser überkompliziertes Steuersystem. Ich sehe da irgendwie beide Seiten. Ich wünsche mir mehr Selbstständigkeit deshalb, weil mich die Observation dieser seltsamen deutschen Massenparalyse bezüglich der selbstauferlegten Loyalität zum Arbeitgeber wahnsinnig macht. Ich glaube wirklich, das macht krank und deswegen bin ich hier für ein Umdenken.
Eigentlich ist der sogenannte Arbeitgeber der Arbeitnehmer und der sogenannte Arbeitnehmer der Arbeitgeber.
Kann es sein, dass du heute ein paar Schnapspralinen zu viel hattest?
Willst Du nur blöd rumstehen, oder gibst du mir endlich eine?
Da bin ich völlig bei dir. So wie ich das erlebe geht die Loyalität aber tatsächlich oft mit Existenzangst einher. Da gibt es so eine tief verwurzelte Grundüberzeugung, dass es gar keine Alternative dazu gibt, sich dem zu beugen, was die Vorgesetzten fordern - eine ganz routinierte, angewöhnte Loyalität, genau wie du schreibst.
Ich glaube aber für ein Umdenken ist die Existenz einer solchen Alternative erstmal Grundvoraussetzung, und das bedeutet dann eben doch wieder Sozialsystem. Ohne ein solches wäre auch die Selbstständigkeit kein Ausweg. Ausbeuten kann man sich auch prima selbst, vor allem wenn die Alternative Obdachlosigkeit, sozialer Abstieg und die Bedrohung der eigenen Gesundheit bedeutet.
Eigentlich ist der sogenannte Arbeitgeber der Arbeitnehmer und der sogenannte Arbeitnehmer der Arbeitgeber.
Ich bin ganz deiner Meinung. Ich will ja auch nicht das Sozialsystem abschaffen, das halte ich für eine bedeutende Errungenschaft unserer Gesellschaft. Aber konkret auf den Kündigungsschutz bezogen meine ich es so: der aktuelle Kündigungsschutz ist stark zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das ist natürlich gut, solange wir über große, gesichtslose Konzerne sprechen, für die einzelne Mitarbeiter austauschbar und individuell uninteressant sind.
Es lähmt nur leider auf der anderen Seite kleine Betriebe, die effiziente und gut aufeinander abgestimmte Teams brauchen. Deren ganze Existenz beruht oft auf der Eingespieltheit und langjährigen gemeinsamen Erfahrung. Es liegt also gar nicht im Interesse des Arbeitgebers, hier Kündigungen auszusprechen (begünstigt ja auch negative Dynamik). Aber gleichzeitig sprechen wir hier eben auch nur von kleinen Arbeitgebern, die unter 50 Mitarbeiter beschäftigen. Ich finde da braucht es andere Regelungen, nicht nur bezogen auf Sozialsysteme oder ähnliches. Wenn nämlich kleine Unternehmen reihenweise das Handtuch schmeißen müssen, weil sie den immer wachsenden Anforderungen an Bürokratie und Hemmnissen nicht mehr gewachsen sind, dann entsteht doch eben gerade dadurch ein riesiges Potential für Existenzverlust.
Ich weiß nicht genau, wo man diese Grenze jetzt ziehen sollte. Ich möchte aber, dass Modelle, wo die Geschäftsführung sich als gleichberechtigten Teil der Belegschaft versteht, noch eine Zukunft haben. Das sehe ich auch als einzige Chance, wie man hierzulande überhaupt noch Innovation fördern könnte. Das Geld immer BMW und VW in den Rachen zu schmeißen, funktioniert doch ganz offensichtlich spätestens mit dem Abdanken der Boomer nicht mehr.
Der Arbeitnehmer gibt seine Arbeit dem Arbeitgeber und der Arbeitgeber nimmt die Arbeit des Arbeitnehmers und verwertet diese zu seinem Gewinn.
Die Kehrseite eines ausgedünnten Kündigungsschutz wäre aber, dass manche Leute komplett aus dem Arbeitsmarkt fliegen könnten. Beispiel: So ziemlich alle ab Mitte 50. Wenn Betriebe das dürften, würden sie diese Leute oft nur allzu gerne loswerden, die sind nämlich teuer, tragen höhere Gesundheitsrisiken und sind je nach Branche auch einfach zunehmend weniger leistungsfähig. Jüngere haben aktuellere Qualifikationen, weniger Fehlzeiten und eine geringere Gehaltseinstufung. Im Kapitalismus würden die ganz regelmäßig den Vorrang bekommen - wenn wir nicht den Kündigungsschutz hätten. Ein freier Markt wäre da gnadenlos. Klar wäre das für kleinere Betriebe praktisch, aber ein wirtschaftlicher Todesstoß für alle, die in der Leistungsgesellschaft nicht mithalten. Ich finde die Vorstellung, dem Kapitalismus das zu gestatten, ehrlich gesagt ziemlich dystopisch.
Deine Argumente verstehe ich, das ist ein reale Gefahr dieser Überlegung. Allerdings habe ich auch eine Dystopie im Hinterkopf bei meinen Gedanken und die ist in meinem Arbeitsalltag leider gar nicht weit. Diese Regulatorik ist auf dem internationalen Markt nicht konkurrenzfähig. Gut, da könnte man jetzt sagen, dass der Großteil der Unternehmer eh nur in der DACH-Region tätig ist, aber das ist sehr kurz gegriffen.
Ich mache mir Sorgen, dass Unternehmen zunehmends von beispielsweise amerikanischen Großkonzernen verdrängt oder aufgekauft werden, was auch absolut gängige Praxis gerade ist, und dadurch diese Handlungsmaxime unsere Sozialsysteme untergraben. In diesem Falle geht es nicht nur den 55+ jährigen an den Kragen, sondern im Schlimmstfall der ganzen Belegschaft.
Das habe ich in den vergangenen fünf Jahren jetzt drei mal so direkt und unmittelbar miterlebt und das hat mich schon schockiert, muss ich sagen. Da kann man sich auf den Kopf stellen, aber mit der aktuellen Ausrichtung gibt es da keine Perspektiven.
Mir ist nicht ganz klar geworden wie du den Zusammenhang zwischen Loyalität zum Arbeitgeber und Kündigungsschutz/Sozialsystem herstellst.
Meiner Ansicht nach erlaubt gerade ein guter Kündigungsschutz (und auch das Sozialsystem) erst eine gewissen Unloyalität, da dich der Arbeitgeber sonst zur Loyalität zwingen kann.
Eigentlich ist der sogenannte Arbeitgeber der Arbeitnehmer und der sogenannte Arbeitnehmer der Arbeitgeber.